Wie vermeidet man Denkfehler beim Formulieren von wissenschaftlichen Theorien?

Klaus Mudersbach, Heidelberg 1992

1 Einleitung

Eine wissenschaftliche Theorie oder ein Modell (im folgenden synonym verwendet) dient dazu,

  • empirische Daten, die in bezug auf eine bestimmte Frage- oder Problemstellung erfaßt worden sind,
  • einheitlich, d. h. in einem bestimmten sprachlichen und konzeptuellen Rahmen zu beschreiben.

Denkfehler können sich dann einschleichen, wenn man bei der Modellfindung bestimmte Prinzipien nicht beachtet.

Mit „Denkfehler“ (oder engl. „fallacy“) sind hier weniger die logischen Fehlschlüsse (wie petitio principii, circulus vitiosus, etc.) gemeint, als vielmehr Verstöße gegen wissenschaftstheoretische Prinzipien, die mit allgemeinen Denkvorgängen zusammenhängen.

Selbstverständlich soll der übliche Anspruch an die formale Struktur einer Theorie auch gestellt werden:

  • Sie soll konsistent und sachangemessen präzise formuliert sein,
  • Mehrdeutigkeiten und Vagheiten sollen vermieden werden.

Aber diese Ansprüche lassen sich überhaupt erst stellen, wenn (mindestens) die nachfolgend erläuterten Prinzipien explizit oder implizit beachtet worden sind.

Der Zweck der grundlegenden Fragen bzw. Prüfung anhand der Prinzipien ist daher:

  • der Verfasser kann die neuartigen Eigenschaften des Modells anhand der Prinzipien besser kennenlernen,
  • er kann das Neuartige besser herauspräparieren (im Vergleich mit den bisherigen Modelldarstellungen),
  • damit die Akzeptanz der Darstellung erhöhen und
  • sich somit gegen Unverständnis oder Mißverständnis absichern.

Denn je neuartiger ein Vorschlag ist, um so größer werden die mentalen Widerstände gegen die Übernahme eines solchen Modells sein und desto wichtiger ist es, auf mögliche Kritikpunkte und Hinweise auf Fallacies vorbereitet zu sein. Daher wird am Ende in der Zusammenfassung ein Schema zur Prüfung der Prinzipien und Auffindung möglicher Fallacies angegeben.

2 Gliederung eines wissenschaftlichen Textes

Um sich die Rolle der Prinzipien beim Darstellen von Theorien klar machen zu können, soll zunächst nach der Funktion der Theoriekomponente im Gesamtaufbau einer wissenschaftlichen Abhandlung gefragt werden. Wir stellen also die Frage: „Wie verfaßt man eine wissenschaftliche Arbeit?“ Wenn man Anleitungen mit diesem oder ähnlichen Titeln aufschlägt, so wird man über alles informiert, was mit dem Vor- und Nachbereiten einer Abhandlung zusammenhängt, aber nicht darüber, wie der Hauptteil der Arbeit aufgebaut sein soll. Statt der bequemen Antwort, das lasse sich nicht allgemein vorgeben, weil es vom Thema abhänge, soll hier ein allgemeiner Strukturierungsvorschlag gewagt werden. Er orientiert sich an dem Leitgedanken: Die Gliederung der schriftlichen Darstellung einer wissenschaftlichen Untersuchung wird grosso modo durch den Ablauf der Untersuchung bestimmt.

Die Darstellung der Ergebnisse der Untersuchung unterscheidet sich von der „Herstellung“ der Ergebnisse hauptsächlich dadurch, daß heuristische Sackgassen oder Suchschleifen „verschwiegen“ werden dürfen.

Fragen wir daher zunächst: in welchen Schritte läßt sich der Ablauf des wissenschaftlichen Forschungsprozesses gliedern? Mit der Angabe der Schrittfolge ist dann nach dem oben genannten Leitgedanken auch der Aufbau der Darstellung der Ergebnisse gegeben.

Ich schlage für die Gliederung des Forschungsablaufs (und damit auch der wissenschaftlichen Abhandlung) eine Abfolge von fünf Schritten vor und fasse diese in einer Abkürzung zusammen: PRODAINFORMAD.

Was ist damit gemeint?

PRO- steht für die PROblem- oder Fragestellung, die der Wissenschaftler bearbeiten will.

DA- steht für die zu PRO gesammelten DAten, die entweder direkt aus dem Phänomenbereich zusammengestellt oder nach geeigneter Vorbereitung einer „reinen Versuchsanordnung“ gewonnen wurden.

IN- bezeichnet den ersten INtuitiven, INformalen Lösungsansatz, den der Forscher vorschlägt: In ihm sind die Größen bzw. Aspekte enthalten, von denen er glaubt, daß sie die Eigenschaften der Daten beeinflussen bzw. die Vielfalt der Variation in den Daten erklärbar machen.

FORM- bezieht sich auf die daran anschließende FORMale Modell- oder Theorie- Bildung, die sich bestimmten wissenschaftsinternen und wissenschaftstheoretischen Prinzipien verpflichten muß, um stimmig zu sein und Denkfehler zu vermeiden.

AD- bezeichnet die abschließende ADäquatheitsprüfung des Modells in bezug auf die Fragestellung und die Daten. D. h.: ob die Frage vollständig beantwortet wird und alle Daten angemessen beschrieben werden. Zweck dieser Kurzformel ist: Sie sollte jedem wissenschaftlich Arbeitenden als methodische Orientierungshilfe dienen,

  • wenn er sich den Verlauf einer Untersuchung klar machen will,
  • wenn er selbst eine Abhandlung zu schreiben hat
  • bzw. eine vorhandene Abhandlung beim Lesen strukturieren will.

PRODAINFORMAD ist also nicht nur für den Studienanfänger gedacht: Es würde die (geistes)wissenschaftliche Kommunikation im allgemeinen erleichtern, wenn sich alle Forscher an dieses oder ein ähnliches einheitliches „Schreibprogramm“ hielten. Damit aber diese Formel besonders dem Studienanfänger beim methodischen Vorgehen helfen kann, muß man ihm noch ein Geheimnis verraten: Methoden helfen nur, wenn man sie auch anwendet. – Daß dies nicht nur das Problem von Studienanfängern ist, ist kein Geheimnis.

Dem fortgeschrittenen Wissenschaftler, der sich spezialisiert hat, z. B. nur auf die Theoriebildung oder nur auf die Perfektionierung der Datenerhebung, verrät die Formel PRODAINFORMAD sogar ihren „fraktalen“ Aspekt: auch wenn der Arbeitsbereich noch so spezialisiert ist, der wissenschaftlich Arbeitende wird sich immer erst das Problem klarmachen müssen (PRO), dann sich fragen, welche Wissens- Vorgaben (DA) er beachten muß bei der Lösung (INFORM), um dann zu sehen, ob die Lösung „gut“ war (AD).

2.1 Die Fallacy der Ontisierung der Beschreibung

Wenn man ein Modell konzipiert hat, das durch die Daten bestätigt wird, so darf man nicht den Fehler begehen, das Modell für die Realität selbst zu halten und die Beschreibung mit dem Phänomen (im ontischen Bereich) gleichzusetzen (Fallacy der Ontisierung der Beschreibung). Dieser Hinweis scheint überflüssig zu sein, weil hier der Unterschied zwischen Phänomen und Modell explizit hervorgehoben wurde. Aber wenn z. B. eine umfassende Beschreibung von grammatischen Phäno menen des Deutschen als „Die Grammatik des Deutschen“ bezeichnet wird (Definit, Singular!), dann liegt diese Fallacy schon vor. Denn damit wird jede denkbare Modellalternative ausgeschlossen. Es wird der Eindruck erweckt, als ob man nur auf das Phänomen zu schauen bräuchte, um das beschreiben zu können, was man da „vor Augen hat“. Daß es beim Modellieren je nach Blickwinkel verschiedene Möglichkeiten gibt, Wesentliches von Unwesentlichem durch Abstraktion zu trennen, wird nicht beachtet (vgl. dazu auch Abschnitt 4.3, F6.3).

2.2 Rolle der Prinzipien

Die Prinzipien machen die unterschiedlichen Blickwinkel beim Modellieren bewußt und zeigen dadurch auch, welche Fragen bei einer bestimmten Modellierung beantwortbar sind und welche nicht. Sie stellen unterschiedliche Denkstrukturen dar, die sowohl beim Handeln und Nachdenken im Alltag als auch beim wissenschaftlichen Erfassen von Wirklichkeit sowie bei der sprachlichen Darstellung der Ergebnisse eine Rolle spielen. Die Prinzipien betreffen auch alle Teile des wissenschaftlichen Vorgehens und alle Teile der Darstellung der Ergebnisse: also die Fragestellung, die Datenerfassung und die Modellbildung.

Eigentlich müßten diese Prinzipien hier zunächst als allgemeine Denkprinzipien eingeführt und danach auf den Spezialfall angewandt werden, der hier interessiert: das Darstellen einer wissenschaftlichen THEORIE oder eines Modells. Aus Platzgründen werde ich die Prinzipien bis auf wenige Ausnahmen aber gleich an diesem Spezialfall veranschaulichen und dazu die jeweiligen Fallacy-Möglichkeiten erörtern. Die Darstellung jedes Prinzips ist folgendermaßen aufgebaut:

(1) Formulierung des Prinzips,

(2) Darstellung der im Prinzip aufgeführten Positionen bzw. Ebenen bzw. Perspektiven in Verbindung mit einem Beispiel und eventuell

(3) die Diskussion der Vor- und Nachteile der verschiedenen Alternativen, schließlich die

(4) Fallacy-Möglichkeiten und wie man sie bei der Darstellung von Theorien vermeiden kann.

Die 4 Prinzipien heißen:

  1. Das Prinzip des Atomismus, Holismus und Hol-Atomismus.
  2. Das Prinzip der Individual-, Kollektiv- und System-Ebene.
  3. Das Prinzip der Teilnehmer- vs. Beobachter-Perspektive.
  4. Das Prinzip: Interesse vs. Exhaustivität.

3 Das Prinzip des Atomismus, Holismus und Hol-Atomismus

3.1 Das Prinzip lautet:

Man soll sich bei der Theoriebildung für eine atomistische oder eine holistische Vorgehensweise entscheiden. Beides zugleich geht nicht.

3.2 Darstellung der Positionen

3.2.1 Atomistische Vorgehensweise

Ausgehend von vorgegebenen Basiselementen (Atomen) werden Kompositionsregeln angewandt, die die Basiselemente miteinander zu wohlgeformten Strukturen „komponieren“. In einer Theorie, die atomistisch aufgebaut ist, müssen als Basiselemente (undefinierte) Grundbegriffe oder (quantitativ verstandene) Parameter vorgegeben werden, (und zwar handelt es sich dabei jeweils um ein Muster (engl. „Type“), das als Exemplar (engl. „Token“) reproduziert werden kann (so wie es zu einem Wort als Type mehrere Vorkommen (Token) in einem Text geben kann). Die Basiselemente sind meist nach Kategorien klassifiziert. Die Kompositionsregeln werden für Basiselemente bzw. deren Kategorien sowie für zusamengesetzte Strukturen bzw. deren Kategorien formuliert.

Eine typische Regelformulierung (mit dem Basiselement b1 und den Kategorien C1, C2, C3) hat die Form (vgl. Montague 1974a, 238f. und Montague 1974b, 249ff.):

Kompositionsregel für b1, C1 und C2:

Gegeben sei ein Basiselement b1, ein Element c1 der Kategorie C1 sowie ein Element c2 der Kategorie C2. Mit der Operation * des Hintereinanderstellens läßt sich dann als wohlgeformte Struktur der Kategorie C3 der Ausdruck <c1*b1*c2> bilden.

Hieran sieht man, daß die Elemente nicht in der Reihenfolge eingeführt werden müssen, in der sie dann in der Verknüpfung vorkommen. Außerdem gehört das Basiselement b1 konstant zu diesem Strukturtyp, während die Elemente aus den Kategorien C1 und C2 variieren können (und damit auch die erzielte „komplexen Struktur“ aus C3). Regeln, die „komplexe Strukturen“ miteinander verbinden, führen zu „höher-komplexen Strukturen“. Zur Komplexität einer Struktur lassen sich Kriterien angeben.

Beispiele für solche Theorien sind: grammatische Regelsysteme (sofern sie keine ausgezeichnete Abschlußkategorie, wie die des Satzes haben, siehe dazu 3.1.5), z. B. formale Generierungssysteme, die beliebig komplexe Ausdrücke zu bilden gestatten. Vor- und Nachteile dieses Vorgehens werden in 3.1.4 behandelt.

3.2.2 Holistische Vorgehensweise

Das holistische Vorgehen beginnt mit einer vorgegebenen Ganzheit (Gestalt), z. B. einer Maschine, die einem bestimmten Zweck dient, oder einer als Ganzheit konzipierten Theorie für einen bestimmten Zweck. Eine Ganzheit (im folgenden auch Holon genannt, ist immer mit einem bestimmten Zweck in einem noch größeren Ganzen verbunden. So ist z. B. das Abfassen einer Theorie (als Holon) mit dem Zweck verbunden, innerhalb des größeren Rahmens des wissenschaftlichen Forschens eine Erklärungsbasis zur Verfügung zu stellen (z. B. der Gesamtrahmen, wie er oben eingeführt wurde). Das Holon enthält Teile, die ihrerseits Funktionen oder Teilzwecke innerhalb des Gesamtzwecks des Holons übernehmen, d. h. aus den Teilzwecken der Teile läßt sich der Gesamtzweck funktional zusammensetzen. Solche funktionalen Teile nenne ich im folgenden auch Holeme, ein Kunstausdruck, der die Einbindung in ein Ganzes durch die -em-Endung ausdrücken soll. In einer holistisch dargestellten Theorie sind alle Theorieteile (Holeme) aufeinander und auf das Ganze bezogen. Jeder Teil hat seine unverwechselbar eigene Aufgabe im Ganzen (seinen Eigenwert; dies entspricht dem Begriff valeur bei de Saussure (1967 [1916], 94 und 131) bzw. der Rolle der Teile einer dramatischen Handlung (als Ganzes) bei Aristoteles, Poetik 1451a30-36). Z. B. ist eine Theorie, die die Wohlgeformtheit des Satzes als die betrachtete Ganzheit (mit einem bestimmten Zweck) annimmt, mit der Aufgliederung in Satzteile (Holeme) verbunden, von denen jeder eine bestimmte Teilfunktion innerhalb des Satzes übernimmt. Holeme können eventuell selbst wieder als relative Ganzheiten mit funktionalen Teilen aufgefaßt werden (Subholeme genannt). So ergibt sich ein hierarchisches Bild für die Aufgliederung eines Holons in Holeme, eines Holems in Subholeme 1. Stufe und eines Subholems 1. Stufe in Subholeme 2. Stufe usw.

3.2.3 Die hol-atomistische Verknüpfung von beiden Extremen

Man kann eine Brücke zwischen den beiden extremen Positionen des Atomismus und des Holismus konstruieren. Diese kann aber nur als sekundäre Vermittlungsstrategie fungieren, nachdem man beide Positionen für sich entwickelt hat. Diese Brücke kann also selbst nicht „gewählt“ werden, da sie ja zwei „Brückenpfeiler“ voraussetzt. Dasselbe gilt auch für die Darstellung: Man soll erst die gewählte Position, z. B. die atomistische, in „Reinkultur“ darstellen, danach kann man die entsprechende Gegenposition, also z. B. die holistische, diskutieren und aufzeigen, welche Phänomene sie im Gegensatz zur atomistischen behandeln kann. Daraus ergibt sich dann das Programm dafür, was in „hol-atomistischen“ Zwischenstufen noch einbezogen werden kann. Für die ausführliche Darstellung muß auf Mudersbach (1983a und b, 1990 sowie 1994) verwiesen werden.

3.3 Diskussion der Vor- und Nachteile

Bevor man also eine Theorie konzipiert, muß man zunächst entscheiden, ob man atomistisch oder holistisch modellieren will. Nach dieser Entscheidung sind jeweils bestimmte Fragen oder Ansprüche an die jeweilige Theorie nicht mehr stellbar.

Der Vorteil des atomistischen Vorgehens ist: beliebig viele Strukturen aufbauen zu können. Der Nachteil: kein Ende zu finden.

Der Vorteil des holistischen Vorgehens ist: maßgeschneidert einen bestimmten Typ von Ganzem beschreiben zu können, aber der damit verbundene Nachteil ist: dafür keinen atomistischen Anfang finden zu können. Die Vorteile beider Positionen sowie die neue Qualität der kontextbezogenen Flexibilität lassen sich in dem oben erwähnten anzuschließenden hol-atomistischen Vorgehen zusammenführen, allerdings um den Preis einer erhöhten Komplexität der Darstellung.

3.4 Fallacy

Die Fallacy beim atomistischen Vorgehen besteht darin, zugleich eine Gestalt und damit verbundene Holem-Funktionen modellieren zu wollen. Umgekehrt führt eine holistische Beschreibung, die mit Atomen beginnt ebenfalls zu einer Fallacy. Solche holistischen „Pseudo-Atome“ sind allenfalls Sub-Subholeme, die aus dem Wissen heraus, zu welchem Ganzen sie letztlich beitragen sollen, so konstruiert worden sind (so sind z. B. alle Sem-Inventare Pseudoatome in diesem Sinn). Ebenso sind alle Basiskategorien einer Grammatik, deren Konstruktionsregeln auf den Satz als abschließende Kategorie (Holon) gerichtet sind, Pseudoatome. Daraus ergibt sich: Holon darf nicht mit Struktur verwechselt werden; Holeme nicht mit Atomen, holistische Zerlegungsregeln nicht mit der Umkehrung zu atomistischen Kompositionsregeln. „Pseudoatomistische“ Theorien müssen hinsichtlich ihres Status hinterfragt werden (von welchem Holon ausgehend wurden die Pseudoatome konstruiert?), weil sie eine Verallgemeinerbarkeit vorspiegeln, die sie tatsächlich nicht einlösen wollen.

4 Das IKS-PRINZIP

4.1 Das IKS-PRINZIP lautet:

Man soll sich bei der Planung einer wissenschaftlichen Untersuchung für eine der folgenden drei Untersuchungsebenen entscheiden:

  • I – die Individual-Ebene,
  • K – die Kollektiv-Ebene,
  • S – die System-Ebene.

Die Abkürzung der Namen der Ebenen ergibt: „IKS“. Spezialisiert auf unsere Fragestellung nach der Darstellung von Theorien besagt diese Ebenen-Unterteilung: Angenommen, man hat eine Untersuchung auf einer dieser Ebenen durchgeführt und ist beim Theorieteil angelangt, dann gilt: Bei der Erstellung und Darstellung einer Theorie zu einer Untersuchung auf einer bestimmten der drei Ebenen muß man darauf achten, daß die Theorie ebenfalls genau diese Ebene betrifft. Nur nach Abschluß der Darstellung der Theorie kann man die Beziehung zu den anderen Ebenen in Betracht ziehen. Hierbei sind einige Beziehungen oder Übergänge zulässig, andere sind fallaziös, wie im folgenden noch deutlich wird.

4.2 Darstellung der Positionen

Die Ebenen werden zunächst einzeln dargestellt, dann die Übergänge zwischen ihnen als zulässige oder fallaziöse Übergänge charakterisiert.

4.2.1 Die Individual-Ebene

Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung müssen wir uns entscheiden, welche Art von Objekten und wieviel davon wir betrachten wollen. Wir können ein einziges Objekt betrachten und an ihm hauptsächlich die Eigenschaften untersuchen, die es von allen anderen Objekten unterscheidet, d. h. die es zu einem eindeutig identifizierbaren Objekt machen. Solche Eigenschaften sind bei Personen die Ausweisnummer oder die Paßnummer; bei Objekten wie z. B. einem Pkw die Fahrgestellnummer oder ähnliches.

Wir können beliebige wohlunterschiedene Objekte zu einer Menge zusammenfassen (Cantorsche Mengendefinition). Eine Menge wird dadurch angegeben, daß wir alle Objekte aufzählen, die dazu gehören sollen (extensionales Verfahren), oder indem wir eine Eigenschaft angeben, die alle Objekte im momentanen Kontext haben sollen, um zur Menge zu gehören (intensionales Verfahren). Damit ist auch die Frage, zu welchen Mengen ein bestimmtes Objekt gehört, jederzeit beantwortbar. Ein Objekt verliert trotz Mengenzugehörigkeit seine Identität nicht. Dies wird deswegen so stark betont, weil sich hierin die Mengenbildung und die nachfolgende Kollektivbildung unterscheiden.

4.2.2 Die Kollektiv-Ebene

Auf der Kollektiv-Ebene werden Objekte mit einer bestimmten Eigenschaft zusammengefaßt, mit dem Zweck, bei einer bestimmten weiteren Eigenschaft dieser Objekte die Häufigkeitsverteilung zu untersuchen. Dazu ist es nicht erforderlich, die Objekte des Kollektivs individuell zu kennen, es genügt zu wissen, daß sie die kollektivbildende Eigenschaft haben und wieviele zum Kollektiv gehören (die Anzahl). Alle weiteren individuellen Eigenschaften der Objekte können aufgrund der gewählten Entscheidung, eine statistische Untersuchungen durchführen zu wollen, bewußt ignoriert werden.

So können wir z. B. bei den Bohnen einer bestimmten Bohnenernte (kollektiverzeugende Eigenschaft) danach fragen, wie lang, wie dick und wie schwer sie sind. Länge, Dicke und Gewicht sind also die statistisch untersuchten Eigenschaften über dem Kollektiv der Bohnen aus einer bestimmten Ernte. Das Resultat der Untersuchung ist eine bestimmte Verteilung der Werte der Länge, meist um einen Mittelwert mit einer bestimmten „Verteilungsbreite“. Ebenso werden auch die anderen Eigenschaften untersucht. Man kann die Ergebnisse pro Bohne mit einander in Beziehung setzen (Korrelationen) oder aufgrund der mathematischen Operation der Mittelwertbildung die Eigenschaften der typischen Bohne dieser Ernte angeben: ihre typische Länge, Dicke und ihr typisches Gewicht. Aber die Frage am Ende der Untersuchung, welche Werte die Bohne Nr.337 zur gewonnenen Verteilung beigesteuert hat, ist sinnlos, denn es interessiert nicht die Bohne, sondern die Verteilungscharakteristik des Kollektivs.

4.2.3 Die System-Ebene

Auf der System-Ebene kommen keine individuellen Objekte mehr vor, sondern nur noch „typische“ Vertreter dieser Objekte. Je nachdem, ob diese Typen durch Abstraktion aus der Individual-Ebene oder aus der Kollektiv-Ebene gewonnen wurden, unterscheiden wir zwischen I-System oder K-System. Zum S-System gehören dagegen „Objekte“, die überhaupt nicht durch Abstraktion gewonnen wurden, sondern genuin auf der Systemebene etabliert wurden und sich nur durch ihre Oppositionen und Stellenwerte wechselseitig abgrenzen.

Das S-System greift den holistischen System-Gedanken von de Saussure (1967 [1916], 136) auf, wie er sich im Begriff der Langue widerspiegelt. Der „Stellenwert“ eines Objekts im System entspricht dem Konzept des valeurs bei de Saussure (1967 [1916], 95, 136, 139 und 145). Ein Vorschlag zur Präzisierung beider Konzepte wurde in Mudersbach (1983a und b) dargestellt.

4.2.3.1 Das I-System

Die Objekte des I-Systems fungieren als Muster (engl. „Types“ oder „Patterns“), die eine Menge von gleichbleibenden Eigenschaft(swert)en darstellen. Zu diesen Mustern werden auf der Individual-Ebene Exemplare des Musters (tokens zum type) konstruiert, so daß sie alle Mustereigenschaften gemeinsam haben (präskriptives Muster). Z. B. sind die verschiedenen mit der Taste „a“ getippten Buchstaben auf dem Papier verschiedene Exemplare (token) zu dem Musterbuchstaben „a“ des I-Systems.

Auch der umgekehrte Prozeß ist denkbar: An individuellen Objekten werden gemeinsame Eigenschaften „entdeckt“ und diese zu einem Muster zusammengefaßt (deskriptives Muster). In beiden Fällen sind Abweichungen vom Idealmuster möglich: im präskriptiven Fall sind dies modifizierte Exemplare, im deskriptiven Fall dagegen „nicht-exemplarische“ oder „nicht-typische“ Vertreter des Musters (vgl. jedoch die Fallacy F5 in 4.3).

Der Vorteil, ein Muster zur Verfügung zu haben, besteht darin, daß wir individuelle Objekte klassifizieren können bzw. bei Vorgabe des Typs schon einiges über die individuellen Objekte wissen, ohne daß wir sie selbst kennen. Wenn in einer Annonce steht: „VW, Bj 1978 zu verkaufen. TÜV 1997, guter Zustand, DM —“, dann genügt die typ-charakterisierende Angabe „Baujahr 1978“, um uns zu informieren, daß das zum Verkauf stehende Exemplar die bestimmten Eigenschaften des entsprechenden Typs haben muß. Voraussetzung dabei ist, daß wir den Typ schon kennen.

Die anderen Eigenschaften charakterisieren dagegen das Objekt individuell („TÜV 1997, guter Zustand, DM …“), ohne es zu identifizieren. Erst beim Überprüfen des KFZ-Briefes am Fahrzeug ist festzustellen, ob die angegebene identifizierende Eigenschaft „Fahrgestellnummer“ auf das Objekt zutrifft, wobei die beiden Nummernangaben (im KFZ-Brief und auf dem Fahrgestell) wiederum zwei token desselben Typs sind.

4.2.3.2 Das K-System

Wenn wir das eben genannte Beispiel weiterführen und annehmen, daß wir aus statistischen Untersuchungen wissen, daß bei diesem Modell die Heizung besonders anfällig ist, dann haben wir ein Wissen über den dazugehörigen Kollektiv-Typ. Er faßt alle diejenigen Eigenschaftswerte zusammen, die in der Statistik über der kollektiverzeugenden Eigenschaft (hier „TYP vom Baujahr 1978“) auffielen, z. B. durch einen überdurchschnittlich hohen Werkstattbesuch wegen Heizungsdefekten. (Dies ist ein Beispiel, Ähnlichkeiten mit … sind zufällig). Wir können also aus der Häufigkeit des Auftretens eines bestimmten Wertes („defekt“) einer bestimmten Eigenschaft („hat Heizung“) einen Kollektivtyp bilden. Dieser Typ ist deskriptiv, wenn er aus empirischen statistischen Untersuchungen mit einer bestimmten Häufigkeit resultiert. Ein Kollektivtyp ist präskriptiv, wenn er fordert, daß dem Kollektiv eine bestimmte Eigenschaft mit der angegebenen Häufigkeit zukommt. Das Kollektiv verhält sich dann atypisch, wenn die angegebene Häufigkeit nicht zutrifft.

4.2.3.3 Das S-System

Die Typen des S-Systems stehen innerhalb eines Ganzen, eines holistisch verstandenen Systems, durch ihre holistischen Funktionen (Holeme) miteinander in Beziehung (vgl. Holismus in 3.2). Diese Funktionen führen zu den obengenannten Oppositionen bzw. unverwechselbaren Stellenwerten im System (valeurs). Ein System-Wissenschaftler kann solche Ganzheiten entweder konstruieren, oder er kann über einem empirischen Bereich (als Randbedingung) Eigenschaften oder Eigenschaftswerte in bestimmte Wechselbeziehungen setzen. So sind z. B. die Figuren in einem Schachspiel (die empirische Randbedingung) funktionale Objekte mit Stellenwert im Ganzen des Schachspiels. Die Figuren sind nur durch die Regeln charakterisiert, nach denen sie im Schachspiel miteinander interagieren. Ihre materiellen Eigenschaften (ob die Figuren aus Holz oder Onyx sind) bleiben dabei irrelevant. Die „Realisierungen“ solcher S-Objekte sollen zwar einheitlich stattfinden und die Unterscheidbarkeit der einzelnen S-Typen gewährleisten, aber sie sind austauschbar. So ist eine verlorengegangene Onyx-Figur durch einen Stein ersetzbar, wenn ihm die entsprechende Systemfunktion zugeordnet wird (dieses Beispiel findet sich auch bei de Saussure 1967 [1916], 27).

4.3 Fallacy

Beim Formulieren von wissenschaftlichen Theorien sind nun folgende Fallacies zu vermeiden:

F1 – Fehlende Wahl der Ebene

Auf jeden Fall ist zuerst die Ebene zu wählen und damit auch, welche Art von Objekten eine entsprechende Theorie beschreiben soll. Anzunehmen, daß man eine Theorie formulieren könnte, die auf alle drei Ebenen und deren verschiedenen Objekttypen zuträfe, ist eine Fallacy, durch die die folgenden Fallacies schon vorprogrammiert sind. (Daß in den folgenden Beispielen möglicherweise sofort evident ist, wo eine Fallacy vorliegt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie in komplizierteren Fällen nicht so einfach ins Auge springt.)

F2 – Projektion der Kollektiv-Verteilung ins Individuum

Die Verteilung einer Eigenschaft E in einem Kollektiv wird in ein individuelles Objekt, das zum Kollektiv gehört, hineinprojiziert. Dann hat das individuelle Objekt nicht mehr einen bestimmten Wert bei der Eigenschaft E, sondern eine Verteilung dieser Eigenschaft. Wenn man die kollektiv Verteilung aus lauter solchen individuellen Verteilungen additiv zusammensetzt, erhält man zwar gerade die Kollektivverteilung zurück, aber dies ist kein Beweis für die individuelle „Verschmiertheit“ der Eigenschaft, sondern ein „selbstbeweisender“ Zirkel in dieser Fallacy. Sie entsteht z. B. dann, wenn man aus der Verteilung der Verwendung des Ausdrucks „groß für einen Menschen“ in einem Kollektiv von Sprechern darauf schließt, daß jeder einzelne Sprecher den Ausdruck „groß“ mit ‚vager Bedeutung‘ (also mit einer solchen Verteilung) verwende (vgl. Zadeh 1975).

F3 – Projektion der Kollektiv-Verteilung ins K-System

Eine Fallacy liegt vor, wenn die gesamte Eigenschaftsverteilung über einem Kollektiv dem K-Objekt auf der Systemebene zugeordnet wird, d. h. wenn statt des Mittelwertes das Systemobjekt mit einer „verschmierten“ Eigenschaft versehen wird. Das ist schon deswegen sinnlos, weil eine Aussage wie „die Eigenschaft E des K-Objekts K nimmt zu 20% den Wert E1 und zu 60% den Wert E2 an“ nicht sinnvoll ist, denn das Objekt K ist keine Ansammlung von Objekten, über der man eine Verteilung angeben könnte. Außerdem fehlen evtl. 20%, die in der Verteilung außerhalb der Spitzenwerte zu finden ist. – Auch diese Fallacy läßt sich veranschaulichen, wenn man an das Beispiel in F1 anknüpft und aus der Kollektivstatistik jetzt schließt, daß demnach das deutsche Eigenschaftswort „groß (für Menschen)“ (also das K-Objekt) nur eine verschmierte „vage“ Bedeutung besitzt. Wohin diese beiden Fallacies, F2 und F3, führen können, zeigt die Fuzzy Set Theory (Zadeh 1975), so wie sie auf dieses oder ähnliche semantische Beispiele angewandt wird. Sie offeriert einen „aufgeweichten Begriff der Mengenzugehörigkeit“, um solche fallaziösen Aussagen – sogar mathematisch präzis – beschreiben zu können. Wenn man jedoch die Fallacy vermeidet, bleiben die schon bekannten statistischen Aussagen übrig, die mit Hilfe der schon längst bekannten Wahrscheinlichkeitstheorie beschreibbar sind. Zugleich sind dann auch die Interpretationsschwierigkeiten aufgehoben, die die Fuzzy Set Theory bei Anwendung in der Semantik bereitet (vgl. Todt 1980). – Es wäre jedoch eine hier nicht beabsichtigte Fallacy anzunehmen, daß die mathematische Theorie von Zadeh in sich überflüssig wäre. Im Bereich der Mustererkennung mag sie erfolgreich sein, wenn man hier die Fuzziness als Disposition individueller Objekte zu einer bestimmten Eigenschaftsausprägung interpretiert. Offen bleibt jedoch auch hier, ob man diese Disposition nicht auch durch einen dementsprechend interpretierten Wahrscheinlichkeitsbegriff beschreiben könnte (wie das übrigens Karl Popper (1957) mit seiner Propensity-Auffassung für die Quantenmechanik vorgeschlagen hat).

F4 – Projektion der Kollektivmittelwertes in ein Individuum

Ähnliches wie bei F2. gilt bei der fälschlichen Übertragung des Mittelwerts einer Kollektiv-Verteilung auf ein individuelles Objekt aus dem Kollektiv: z. B. wenn man die individuelle Familie sucht, die gerade den Kollektivmittelwert in der Kinderzahl von 0,74 Kindern erfüllt.

F5 – Die Fragmentarisierung eines I-Typs

Diese Fallacy liegt vor, wenn man zwar für den I-Typ eine Eigenschaftscharakteristik festsetzt oder annimmt, aber jede vorkommende Abweichung davon als „fragmentarische Token-Bildung“ zuläßt, sofern nur einige der Eigenschaften, die zur Charakteristik gehören, vorhanden sind. Dies ist eine Aufweichung der prägnanten Idee des I-Musters. Sie mag zwar für die Praxis hilfreich erscheinen, verhindert jedoch letzten Endes die erfolgreiche Klassifikation von Objekten als tokens eines Types und läßt willkürliche Zuordnung von tokens zu verschiedenen Types zu. So hat z. B. das wittgensteinsche Konzept der Familienähnlichkeit diese Fallacy „hoffähig“ gemacht (Wittgenstein 1969); der Typ „Spiel“ wird nicht mehr durch eine bestimmte Eigenschaftscharakteristik etabliert, sondern durch beliebige Teile (Fragmente) einer solchen Eigenschaftscharakteristik. Wittgenstein scheint dieses Konzept dadurch retten zu können, daß er die Menge aller denkbaren Spiele, also die Extension des Begriffs „Spiel“, als abgeschlossenes Ganzes vorgibt. Aber damit hat er sich gerade der Aufgabe entzogen, die mit dem I-Typ zu leisten ist, nämlich denkbare Spiel-Arten auf den I-Typ zu beziehen, indem man sie anhand der Eigenschaftscharakteristik als Spiele klassifiziert. Indem Wittgenstein also die Aufgabe, die der I-Typ lösen sollte, vorab entschieden hat (durch Vorgabe aller Objekte, die schon unter „Spiel“ fallen sollen), „befreit“ er die Familienähnlichkeit (als den Ersatz für die klare Eigenschaftscharakteristik des I-Typs „Spiel“) von der Aufgabe, die sie eigentlich hätte lösen sollen, nämlich die Klassifikation der vorkommenden Objekte als Spiele dennoch zu leisten.

F6 – Wechsel zwischen den Typen auf System-Ebene

Ein Bündel von Fallacies besteht darin, zwischen den verschiedenen Typen auf der System-Ebene hin und her zu wechseln, um damit zu entsprechenden Prognosen auf der Kollektiv-Ebene bzw. Individual-Ebene zu gelangen. Ein Beispiel: Eine Einzelsprache, z. B. das Deutsche, läßt sich in einer Grammatik (als S-System) und einem strikt oppositiv (d. h. minimal distinktiv) aufgebauten Bedeutungswörterbuch (ebenfalls ein S-System) darstellen – ganz im Sinne des Saussureschen Langue-Konzepts (soweit er damit die Systemebene meint). Aber daraus folgt nichts darüber, wie in einer Sprachgemeinschaft die Ausdrücke aktual gebraucht werden (bei de Saussure (1967 [1916], 10, 17 und 91) wird fälschlicherweise langue auch als „fait social“ angesehen – also als K-System, aber in Verbindung mit der Fallacy der Ontisierung der Beschreibung, vgl. 2.1). Ebensowenig folgt daraus etwas darüber, wie individuelle Sprecher ihre Sprachausdrücke gebrauchen (bei de Saussure (1967 [1916], 16) trägt jeder Sprecher ein individuelles Fragment der langue in seinem Kopf!). Hier treten bei der Übertragung des Langue-Begriffs auf die verschiedenen Ebenen Kombinationen von Fallacies auf, von denen einige im folgenden unter F6.1 bis F6.4 explizit gemacht werden: F6.1 Uminterpretation der Typen des S-Systems (Grammatik oder Lexikon) als K-Typen (des K-Systems) bzw. I-Typen (des I-Systems).

F6.2 Anschließend die präskriptive Verwendung des K-Typs (vgl. 4.2.3.2., also keine Fallacy!) bzw. die fragmentarische Projektion des I-Typs in die Individual- Ebene (also Fallacy F5): Hier zeigt sich, daß Saussure die individuelle Sprache eines Sprechers nicht als Exemplar („Aktualisierung“) einer bestimmten Langue klassifizieren, sondern sie nur als Exemplar eines Fragmentes dieser Langue postulieren kann. Damit wird aber das Kriterium für eine Klassifikation unter einer System-Einheit durch eine schwer kontrollierbare Entscheidung nach anderen Gesichtspunkten ersetzt. Daran schließen sich dann all die (unbeantwortbaren) Fragen an: z. B. wie (un)ähnlich das Fragment zum Ausgangsmuster (als Prototyp) sein darf, um noch als Exemplar davon gelten zu können.

F6.3 Die Übertragung der Beschreibung auf das Objekt selbst (Fallacy der Ontisierung der Beschreibung, vgl. 2.1): statt ein Langue-Modell als eine mögliche Beschreibung eines Sprachzustandes des Deutschen anzusehen, wird diese Beschreibung mit dem definiten Ausdruck im Singular „die Langue des Deutschen“ in das Objekt selbst (die Einzelsprache Deutsch) hineinprojiziert. Dementsprechend wird dann auch ein jeweiliges Fragment der langue des Deutschen in den Kopf eines jeden Deutsch-Sprechers hineinprojiziert. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß wir erst einen Befund über die Sprache des individuellen Sprechers erstellen müssen (wie auch immer), bevor wir per Entscheid diesen Befund als ein im Sprecher angelegtes Fragment der langue des Deutschen deklarieren können.

F6.4 Während bei der „Ontisierungs“-Fallacy vorausgesetzt wird, daß das Objekt, das beschrieben wird, schon existiert, können wir auch den Standpunkt einnehmen, daß es die deutsche Einzelsprache als Phänomen gar nicht gibt, sondern nur Erscheinungen in individueller Rede. In diesem Falle würde mit dem Begriff „Die Langue des Deutschen“ das Objekt erst zur Existenz gebracht. Wir nennen diese Fallacy daher „Existenzialisierungs- Fallacy“. Bei der Betrachtung der Übergänge zwischen den IKS-Ebenen gibt es noch weitere Fallacy-Möglichkeiten, auf die hier aber aus Platzgründen nicht eingegangen werden kann (weitere Erläuterungen und Anwendungen finden sich in Storrer 1992, 175ff. und Gerzymisch-Arbogast 1996, 22ff.).

5 Das Prinzip: Teilnehmer- vs. Beobachter-Perspektive

5.1 Das Prinzip lautet:

Bei der Betrachtung einer intentionalen Interaktion I zwischen zwei Personen P und Q ist zu wählen, ob man I von außen beschreiben will (Beobachter-Position) oder ob man sich in einen der Teilnehmer (P oder Q) hineinversetzen und die Innensicht dieser Person von der Interaktion beschreiben will.

5.2 Darstellung der Positionen

Ordnen wir den Personen Indizes zu, z. B. P und Q, dann können wir „die Sicht des Q aus der Sicht des P“ abkürzen durch: „Q/P“. Eventuell hat P auch noch eine Hypothese über die Hypothese des Partners Q über ihn: P/Q/P. – Der außenstehende Beobachter B dagegen kann sich in JEDEN der beiden Partner hypothetisch hineinversetzen (P/B bzw. Q/B), oder er kann nach seinen eigenen Kriterien eine Außenposition (/B) einnehmen (z. B. die eines Psychologen, der beide Partner beurteilt). – Innerhalb der Theoriebildung tritt der Außenstehende B als „Konstrukteur“ der Personen P und Q und der Situation SIT auf, d. h., er ordnet ihnen die wechselseitigen Hypothesen zu, die für die jeweilige Problemstellung relevant sind, z. B. SIT/P, SIT/Q, SIT/P/Q, SIT/Q/P, usw.

Zusätzlich kann B die Situation SIT aus seiner eigenen Sicht konstruieren: SIT/B.

5.3 Fallacy

Eine Fallacy entsteht, wenn man die Unterschiede zwischen den Perspektiven nicht beachtet bzw. nicht hinreichend deutlich darstellt. Denn dann schreibt man leicht einem Teilnehmer z. B. logische Fähigkeiten bzw. Rationalität bzw. einen objektiven Wissensstand zu, die der Betreffende nicht haben kann. So ist zwar die in der Epistemischen Logik übliche Modellierung des „rationalen Glaubenden“ (vgl. von Kutschera 1976, 80ff. und den Kommentar dazu in: Mudersbach 1984, 13ff.) bequem, weil man dem Glaubenden das rationale Verhalten des Logikers einfach zuschreiben kann, aber das geht gerade an der Wirklichkeit vorbei.

Werden die beiden Perspektiven bei der Konzipierung bzw. der Darstellung einer Theorie nicht auseinander gehalten, dann ergibt sich dadurch leicht die Fallacy, daß man einem oder beiden Partnern ein Wissen zuschreibt, das nur der außenstehende Beobachter bzw. Konstrukteur haben kann.

Betrachten wir dazu als Beispiel den Dialog in einer Verwechslungskomödie: Der Beobachter B weiß, daß die beiden Personen P und Q auf der Bühne sich mißverstehen: P referiert mit „das schönste Mädchen im Ort“ auf Gisela:

„das schönste Mädchen am Ort“ /P = GISELA /P

während Q bei demselben Ausdruck am Hella denkt:

„das schönste Mädchen am Ort“ /Q = HELLA /Q

Um aber deren Mißverständnis als wechselseitiges Verstehen in der Teilnehmersicht darzustellen, muß B zum einen beschreiben, daß P den Q aus seiner P-Sicht (abgekürzt durch Q/P) auf eine Weise versteht, nämlich

„das schönste Mädchen am Ort“ /Q/P = GISELA /Q/P,

während Q den P auf eine andere Weise versteht:

„das schönste Mädchen am Ort“ /P/Q = HELLA /P/Q.

Jeder meint in seiner Innensicht (/X bzw.Y/X mit X,Y aus der Menge <P,Q>), der andere verstehe ihn. Nur in der externen Sicht des B wird deutlich:

„das schönste Mädchen am Ort“ /P/B = GISELA /P/B ¹

„das schönste Mädchen am Ort“ /Q/B = HELLA /Q/B,

und

„das schönste Mädchen am Ort“ Q/P/B = GISELA /Q/P/B ¹

„das schönste Mädchen am Ort“ P/Q/B = HELLA /P/Q/B.

In seiner Beobachtersicht versteht B, warum sich die beiden, Q und P, mißverstehen, weil er, B, glaubt, den Zusammenhang „richtig“ zu verstehen (vgl. Mudersbach 1987 und 1989). Wird B als Zuschauer aber wiederum vom Autor A hinters Licht geführt und mißversteht daher den Bühnendialog, so kann B dies im Moment des Mißverständnisses nicht wissen; der Autor muß ihm erst die Auflösung des Mißverständnisses zugänglich machen. Luigi Pirandello spielt in seinen Stücken auf diese Weise mit dem Verhältnis von Akteur- und Zuschauer-Perspektive, indem er seine Autorenperspektive davon noch einmal absetzt, z. B. in „Heinrich IV“. An der Darstellung der einfachen Verwechslungssituation wird schon deutlich, wie genau man die Indizierung setzen muß, um den Sachverhalt richtig zu beschreiben. Nun ist die Situation des Wissenschaftlers nicht die einer Verwechslungskomödie, möchte man meinen, aber wie oft sieht er sich gezwungen, bevor er (=B)

  • seine eigene Interpretation des Textes von P darstellt (P/B), zuerst einmal die Rezeptionsgeschichte darzustellen, nämlich
  • wie der Interpret Q den P dargestellt hat (P/Q/B),
  • woraufhin der Interpret R,
  • der selbst P interpretiert hat (also: P/R),
  • die P-Interpretation des Q (also: P/Q/R)
  • als verfälschend kritisiert habe (P/Q/R ¹ P/R)/R.

Hierbei setzt /R natürlich seine eigene Interpretation als (einzig) richtige voraus und behauptet dann, daß P/Q davon verschieden ist. Da aber die Interpretation P/Q dem R nur in seiner Sicht, also als P/Q/R, zugänglich ist, liegt die Verschiedenheit in der Sicht des R vor, also: (… ¹ —)/R, aber die verglichenen Sichten, P/Q und P/R, liegen ja beide nur in der Sicht des R vor, also (P/Q/R ¹ P/R)/R.

B schaltet sich daraufhin ein (also: /B) und weist nach,

  • daß R die P-Interpretation des Q (nach Meinung des B, also: P/Q/R/B)
  • mißverstanden hat: (P/Q/R/B ¹ P/Q/B)/B,

während B sich selbst von beiden Interpretationen distanzieren will: (P/B ¹ P/Q/B ¹ P/R/B)/B.

Nicht auszudenken, wenn ein weiterer Interpret S auf den Plan träte und dem B nachwiese, er habe seinerseits…

Die (Neigung zur) Fallacy, die eigene Sicht als absolut und unhinterfragbar darzustellen, wird spätestens durch den skeptischen Dialogpartner und seine (divergente) Sicht aufgedeckt. (Dies ist meine Sicht von dieser Fallacy.)

6 Das Prinzip: Interesse vs. Exhaustivität

6.1 Das Prinzip lautet:

Bei der Modellierung eines Sachbereiches können wir uns entweder nur auf den Teil beschränken, der uns interessiert (Interessenposition), oder wir betrachten den gesamten Rahmen, in dem unser Interesse liegt, und beschreiben diesen Rahmen interessefrei (Exhaustivitätsposition).

6.2 Darstellung der Positionen

Bei der exhaustiven Modellierung des ganzen Rahmens ist der Rahmen nur soweit zu fassen, daß er neben dem eigenen Modellierungsinteresse denkbare alternative Interesse-Möglichkeiten umfassen kann. Damit wird deutlich, was es heißt, innerhalb eines solchen „Fächers“ von Möglichkeiten aufgrund des Interesses eine bestimmte Wahl zu treffen und damit eine bestimmte Möglichkeit oder eine Teilmenge der Möglichkeiten zu fixieren. Wir können diese Position daher auch Fächer-Fixierungsposition nennen und die entgegengesetzte: interessenfixierte Position.

Wenn wir z. B. die Glaubensinhalte eines Menschen modellieren wollen, dann können wir so verfahren: Wir ordnen der Person P eine Menge von Glaubensinhalten GL(P) zu.

Sollen wir die Frage beantworten, ob P den Glaubensinhalt g glaubt, so können wir die Frage G1) entweder bejahen („P glaubt, daß g“, wenn g in GL(P) enthalten ist) G2) oder verneinen („P glaubt nicht, daß g“, wenn g NICHT in GL(P) enthalten ist).

Wir wissen dann aber nicht, ob P g definitiv als Glaubensinhalt ablehnt, weil er die Negation von g glaubt (Position G3: P glaubt, daß NICHT g) oder ob er indifferent dazu steht bzw. noch nie mit der Frage, ob er g glaubt, konfrontiert worden ist. Damit können wir unsere beiden Positionen verdeutlichen:

INT) Der interessenfixierte Modellierer des Glaubens wird nur das Interessierende darstellen, er begnügt sich mit der Angabe GL(P).

EX) Der „exhaustive“ Glaubensmodellierer wird dagegen all denkbaren Glaubensinhalte (den Fächer) in eine Menge GL zusammenfassen (wie auch immer das geschehen sollte) und dann für einen bestimmten Glaubenden P ein (exhaustives) Tripel angeben:

<GL(P), NON-GL(P), OFFEN-GL(P)>.

Dabei soll neben dem schon eingeführten GL(P):

  • NON-GL(P) alle Glaubensinhalte enthalten, deren Negation P glaubt,
  • OFFEN-GL(P) alle übrigen Glaubensinhalte enthalten, denen P, wie oben gesagt, indifferent gegenüber steht.

Alle drei Komponenten sollen zusammengenommen die Gesamtmenge GL ergeben, so daß jeder Glaubensinhalt in genau einem der drei Bereiche vorkommt, d. h., GL wird exhaustiv und disjunkte in diese drei Komponenten zerlegt.

Hieran sieht man, daß die exhaustive Position dem Ideal des vollständigen Wissens huldigt: Für jeden Glaubensinhalt ist entscheidbar, zu welcher der drei Mengen er gehört. In der Logischen Semantik sind die Begriffe der Extension eines Ausdrucks und der der möglichen Welt in diesem Sinne zu verstehen. Die von P geglaubten Glaubensinhalte lassen sich dann im Prinzip mit dem oben angegebenen Tripel über der Gesamtmenge der (vollständig bekannten) möglichen Welten angeben (Hintikka 1969).

6.3 Diskussion der Vor- und Nachteile der Positionen

Der Vorteil der Exhaustivitätsposition besteht darin, daß wir für jeden Fall eine Wahrheitsbedingung oder ein anderes entscheidbares Kriterium angeben können, weil hier der Gedanke eines vollständig bekannten funktionalen Werteverlaufs zugrundegelegt wird. Der Nachteil ist, daß in einem exhaustiven Rahmen Fragen auftauchen, die uns per definitionem gar nicht interessieren, die aber jetzt gestellt werden können, auch wenn sie mit unserem unvollständigen Wissen eventuell nicht beantwortbar oder gar in bezug auf unsere Wirklichkeit sinnlos sind. D. h., unsere Modellierung ist genauer, als es unsere Kenntnis über die Wirklichkeit fordert, also über-genau.

Bei der Interessenposition wird eine Funktion nur soweit definiert, wie die Werte interessieren (partielle Definition). Im Beispiel: eine mögliche Welt werden nur soweit eingeführt, wie sie einem Glaubenden bekannt ist (d. h. seine Glaubensinhalte darstellen). Der Vorteil dieser Position ist, daß wir die Fragen, die uns nicht interessieren, auch nicht stellen können, weil sie schon aus dem für das Interesse maßgeschneiderten Rahmen herausfallen.

Ein Nachteil dieser Position ist, daß uns neuartige Fragen gar nicht einfallen, es sei denn, wir gestatten uns zur gegebenen Zeit eine ad-hoc-Erweiterung des Lösungsraums, d. h. des Interessenrahmens.

Ob sich ein Wissenschaftler dogmatisch festgelegt hat, kann man daran erkennen, daß er auf bestimmte (innovative) Fragen antwortet: „Das interessiert hier (oder: mich) nicht.“

6.4 Fallacy

Es ist eine Fallacy, eine Modellierung, die sich bei einem bestimmten Interesse bzw. einer bestimmten Zweckvorgabe bewährt hat, auf ein anderes (ähnliches oder analoges) Interesse unhinterfragt zu übertragen, mit der Begründung, die Modellierung habe sich ja schon bewährt. Ein Spezialfall davon ist die Fallacy: gleiche Wirkung, also auch gleiche Ursache.

Es ist zunächst unökonomisch, bei einem bestimmten Interesse, den Gesamtrahmen exhaustiv definieren zu wollen. Diese Strategie wird aber dann zur Fallacy, wenn sie im Interessenbereich zu Fragen und Entscheidungen zwingt, die übergenau, d. h. im Rahmen des Interesses nicht mehr relevant sind. Wie vermeidet man nun diese Fallacy bei der Theorie-Bildung und -Darstellung? Wenn man eine informales Modell M formalisieren will, dann kann man dies auf zwei Arten darstellen:

INT) Entweder man führt eine Sprache L so ein, daß nur die in M gültigen Aussagen als wohlgeformte Aussagen in L zulässig sind. L ist dann eine „maßgeschneiderte“ Sprache zu M. Z. B. ist ein vollständiges und korrektes

Axiomensystem zu M eine solche maßgeschneiderte „Sprache“. EX) Oder man führt eine flexiblere Sprache F ein und schränkt diese durch Postulate ein auf genau diejenigen Aussagen, die in M gelten. In diesem Fall ist darauf zu achten, daß man in F nichts einführt, was nicht im Prinzip in der Einschränkung auf M dann auch gebraucht wird.

(Falls dies nicht in allen Fällen möglich ist, kann man allenfalls nachträglich fordern, daß bestimmte Fragen unter dem angestrebten Interesse irrelevant sind.)

7 Zusammenfassung: Leitkriterien zur Vermeidung von Fallacies beim Darstellen von Modellen bzw. Theorien

Auch wenn es verwegen erscheint, holzschnittartig das hier Gesagte in eine Art Checkliste zusammenzufassen, so meine ich dennoch, daß es dem interessierten Leser eine Hilfe ist, wenn er sich an einen griffigen Vorschlag halten kann, den er dann mit seinen eigenen Erfahrungen vergleichen kann.

Das Folgende ist ein Schema in Ich-Form, das man während oder nach dem ersten Entwurf eine Theoriedarstellung in der Art einer Checkliste anlegen und ausfüllen soll. Dabei ist dieses Verfahren auch nützlich, wenn man eine fremde Theorie für eigene Zwecke nutzbar machen will und sie bei dieser Gelegenheit unter den vier Prinzipien und den damit verbundenen Fallacy-Gefahren beurteilen will. Die Kontrollfragen sind in der Reihenfolge der vier Prinzipien angegeben.

Die darzustellende Theorie T gehört zu dem Ganzen einer wissenschaftlichen Untersuchung, die ich schon nach der FORMEL PRODAINFORMAD aufgegliedert habe. Dabei gilt:

C1 PRO:————–

DA:———————–

IN:————————

Für die darzustellende Theorie T habe ich folgende Entscheidungen getroffen (bei Zweifeln oder offenen Fragen werde ich diese in Klammern notieren). C2 Ich will T unter dem ersten Prinzip entweder atomistisch anlegen, d. h. mit dem Aufbau von Bausteinen beginnen und

  • • das Repertoire an Kategorien,
  • das Repertoire an Grundausdrücken zu den Kategorien,
  • die Aufbau- und Umformungsregeln über den Kategorien oder Grundausdrücken sowie
  • die Definitionen und Abkürzungen angeben, oder holistisch beginnen, d. h. nach dem abgeschlossenen Ganzen fragen, das ich zugrundelegen werde,
  • dessen Zweck ich bestimme und
  • dessen Teile und Teilzwecke ich angebe.

C3 Ich habe mich für die Darstellung von Objekten auf der I-Ebene K-Ebene S-Ebene entschieden. Ich habe vor, die Ergebnisse auf eine oder die beiden anderen Ebenen zu übertragen. Dazu habe ich geprüft, daß dies erlaubte Übergänge sind. Ich werde die Übergänge explizit diskutieren.

C4 Ich gebe bei allen Parametern an, ob sie nicht-intentionale Objekte (G) oder intentionale Wesen (P) betreffen. Bei einem intentionalen Wesen P reserviere ich einen Index „/P“ für dessen Sicht.

Ich entscheide, ob ich die Objekte G aus meiner Sicht (G/ICH) betrachten werde, oder aus der Sicht des P (G/P/ICH) oder aus sonstigen höherstufigen Sichtweisen.

Ich bin mir bewußt, daß alles, was ich darstelle, aus meiner Sicht dargestellt ist, auch wenn ich den Index /ICH meist weglassen werde.

C5 Die Darstellung von T ist mit dem Interesse verbunden, eine angemessene Lösung des angegebenen Problems zu finden. Darüber hinaus habe ich ein Interesse daran, mich mit der Darstellung auf die spezifischen Kenntnisse des Leserkreises einzustellen. Dazu habe ich meine Hypothesen über den Kenntnisstand des potentiellen Lesers zu formulieren versucht, soweit dies sinnvoll und hilfreich ist.

Jedes weitere Interesse (bzw. jeden weiteren Zweck) der Darstellung gebe ich explizit an.

Ich gebe auch explizit an,

F) ob ich T in einer allgemeinen flexiblen Beschreibungssprache angeben möchte oder

L) ob ich versuche, eine maßgeschneiderte Beschreibungssprache L zugrundezulegen.

F) Im Falle von F) gebe ich, wie in C2. dargestellt, einen atomistischen Aufbau der Beschreibungssprache anhand von Repertoires und Regeln an.

Anschließend formuliere ich die Postulate und Umformungsregeln, die die Sprache F auf die Aussagen der Theorie T einschränken.

L) Im Falle L) wähle ich die Darstellung einer maßgeschneiderten Sprache L, in der nur solche Ausdrücke wohlgeformt sind, die Bestandteil der Theorie T sind.

Sie können mich gern als potentiellen Leser Ihrer Ausführungen betrachten und mir Ihre Ergebnisse und Erfahrungen zuschicken. Sie haben dabei sogar einen einzigartige Vorteil: Sie haben ganz klare Hypothese über den Kenntnisstand und die Erwartungen dieses Lesers…

Literatur

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Princeton University Press

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